Die Tochter des Bischofs: Roman (B004ROT42A) by Richard Dübell

Die Tochter des Bischofs: Roman (B004ROT42A) by Richard Dübell

Autor:Richard Dübell [Dübell, Richard]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Bastei Lübbe (Bastei Verlag)
veröffentlicht: 2010-09-25T04:00:00+00:00


4.

Suzanne holte ihn in der Vorburg ein. Sie rief ihn an; Raymond blieb erst beim zweiten Ruf stehen.

»Bin ich entlassen, Dame Suzanne?«, fragte er, ohne sich umzudrehen. Der Claret hatte sich in der frischen Luft in seinen Magen gesenkt und rotierte dort als saurer Klumpen.

»Was ist in Chatellerault geschehen?«

»Wozu jetzt alte Geschichten erzählen?«

»Ich möchte die Wahrheit erfahren.«

»Jeder hat seine eigene Wahrheit.«

»Wie lautet deine?«

Raymond wandte sich langsam um. Suzanne schien gerannt zu sein. Der Bergfried ragte hinter ihr in die Dunkelheit empor, die Fensteröffnungen des Saals hell erleuchtet, der Rest ein düsterer Felsen. Man konnte Stimmen herunterwehen hören, ohne sie unterscheiden zu können.

»Robert wartet auf dich, Suzanne.«

Sie faltete die Hände vor dem Schoß und sah ihn von unten herauf an. Ihre Augen waren schmal.

»Du hast mir meinen Wunsch nicht erfüllt. Du hast nichts von Liebe gesungen.«

»Ich kam nicht mehr dazu.«

»Bist du in Chatellerault dazu gekommen? Hat man dir deswegen die Fiedel um die Ohren geschlagen? Ein zweiter Bertrand de Ventadorn, allerdings glückloser? Oder hattest du Glück mit der Vizegräfin?«

»Ich …«

»Robert erfährt dort oben soeben Guiberts Wahrheit.«

»Was ist mir dir? Willst du sie nicht hören?«

»Warum sollte ich etwas auf Guiberts Meinung geben? Er war nicht dabei.«

Raymond holte Atem. Suzannes Haarschmuck fing den schwachen Lichtschimmer aus den Fensteröffnungen ein. Raymond hatte erwartet, dass Foulques oder Georges ihr folgen würden – nun, Georges nicht, der war froh, wenn er aus dem Saal herauskam, ohne dabei auf die Nase zu fallen –, aber wenigstens Roberts Freund und Knappe hätte der Schicklichkeit gehorchen und die Herrin nicht allein mit diesem verdächtigen Sänger lassen sollen. Doch sie blieben allein, Suzanne mit ihrem leicht schräg geneigten Kopf und dem glitzernden Haarnetz und dem leichten Funkeln in den Augen, die ein Licht von Gott weiß woher einfingen; und Raymond, der plötzlich merkte, dass ihm im Augenblick nichts wichtiger war, als Suzanne die Wahrheit zu sagen und zu erklären, dass er kein fühlloser Ochse mit der Zunge eines Reptils war.

»Graf Jaufres Publikum bestand aus Pfeffersäcken«, murmelte er. »Sie konnten nichts mit meiner Musik anfangen.«

»Und Graf Jaufre selbst?«

»Er saß zwischen zwei Kaufmännern und siegelte Wachstäfelchen schneller, als er sie lesen konnte. Sein Gesicht war grau wie ein altes Pergament, und er schwitzte. Er hatte Augen so groß wie ein Lamm, das den Koch kommen sieht und unbedingt glauben will, dass er seine einzige Hoffnung ist.«

Er zog die Schultern hoch.

»Ich hätte nie anfangen sollen zu spielen. Als ich das Volk in Graf Jaufres Saal sah, hätte ich mir eine Ausrede ausdenken und mich in den Ställen verstecken sollen.«

»Erzähl es mir.«

He, du Zaunkönig, ist dir klar, dass dir keine Sau zuhört …? He, Gräfin, der Mundschenk ist wohl eingeschlafen, keiner lässt die Luft aus meinem Becher …! Raymond schüttelte sich.

»Einer der Pfeffersäcke tat sich besonders hervor. ›Deine Heldengeschichten sind verstaubt, Sangesvogel!‹ oder ›He, hör auf, so laut zu plärren, ich kann mich nicht rechnen hören!‹«

Suzanne zog die Brauen zusammen.

»Nach einer Weile lud ich ihn zu einem Jeu-parti ein. Ich dachte, wenn er sich schon beweisen muss, dann kann er es ebenso gut zur Musik tun.



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